Der VfB schafft die Trendwende

Der VfB ist noch nicht verloren – das sagt der Mentalcoach Mirko Irion und spricht im Interview über die Entwicklung in Stuttgart und über psychologische Maßnahmen im Kampf gegen den Abstieg.

Stuttgart – Die Partie des VfB am Samstag in Augsburg (0:1) hat Mirko Irion im Fernsehen gesehen. Da ist er über die Körpersprache der Spieler erschrocken. Deshalb kommt es für ihn nun darauf an, positive Energien zu wecken.

Herr Irion, die Geschichte wiederholt sich. Wie vor einem Jahr kämpft der VfB auch jetzt wieder gegen den Abstieg. Damals waren Sie zuversichtlich. Und heute?

Da ist es für mich wirklich nicht leicht, eine Prognose abzugeben. Denn die entscheidende Frage lautet, ob der aktuell negative Trend in den letzten vier Saisonspielen noch einmal umgedreht werden kann. Das ist eine reine Kopfsache.

Wovon hängt diese Kopfsache ab?

In allererster Linie davon, wie im vergangenen halben Jahr im mentalen Bereich gearbeitet wurde. Wurden die Spieler in der Phase nach der Winterpause, als es aufwärtsgegangen ist, mental darauf vorbereitet, dass sich die Lage auch wieder ändern und schwierig werden kann? Ich hoffe, dass der VfB in dieser Zeit ein entsprechendes psychologisches Gerüst aufgebaut hat – mit Knöpfen, die man drücken kann, wenn es so schlecht läuft wie jetzt.

Was sind die Unterschiede zwischen April 2015 und April 2016?

Von außen betrachtet zunächst einmal, dass es im April 2015 nur noch Hoffnung gab. Die Mannschaft war Tabellenletzter – und Robin Dutt (Anm. d. Red.: der VfB-Sportvorstand) sagte damals ja zu Recht, dass es nun nichts mehr zu verlieren gibt. Jetzt gibt es dagegen etwas zu verlieren.

Was hat sich noch verändert?

Der Trend. Im Gegensatz zum April 2015 ist er im April 2016 negativ, aber das Team hat schon nach der Hinrunde bewiesen, dass es in der Lage ist, eine Trendwende hinzubringen. Das muss man den Spielern jetzt klarmachen – warum soll das nicht wieder gelingen? Zudem sollten die Verantwortlichen auf die Rückrundentabelle hinweisen. Da liegt der VfB auf dem siebten Platz. Man rennt also immer noch den verlorenen Punkten aus der Hinserie hinterher.

Gibt es auch Parallelen zur Saison 2014/15?

Man hat es erneut selbst in der Hand, die Klasse zu halten.

Vor einem Jahr setzte der alte Trainer Huub Stevens ein paar Reizpunkte – etwa indem er die Spieler als Affen bezeichnete. Sollte sich der neue Trainer Jürgen Kramny auch so etwas Ähnliches einfallen lassen?

Er interpretiert das etwas anders und hat den Spielern in dieser Woche den freien Tag gestrichen. Das war eine absolute Notwendigkeit und genau das Richtige, um zu signalisieren – stopp, so wie zuletzt kann es einfach nicht mehr weitergehen.

Was müsste aus Ihrer Sicht der nächste Schritt sein?

Huub Stevens wollte mit der Affennummer ja Spaß und Freude zurückholen – und das muss auch jetzt passieren. Das Schlechteste wäre, wenn die Daumenschrauben angezogen bleiben. Vielmehr muss der Blick nach vorne gehen. Man muss für Erfolgserlebnisse in den Trainingseinheiten sorgen und dafür, dass wieder gelacht wird.

Der VfB lieferte beim 0:1 am Samstag in Augsburg einen blutleeren Auftritt ab. Was sagt das über die Mentalität der Elf aus?

Dass den Spielern das Selbstvertrauen fehlte. Das ist wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie haben gegen Augsburg traumatische Erfahrungen gemacht – wie beim 0:4 im November. Dadurch entstand eine unbewusste Angst, die alles gelähmt hat.

Was kann der VfB gegen diese Angst jetzt unternehmen?

Vieles. So kann man die Spieler an die Phasen erinnern, in denen sie erfolgreich waren. Man muss die negativen Erfahrungen ausblenden und jeden ermuntern, dass Fehler erlaubt sind. Und man kann Team-Events durchführen.

Welchen Einfluss haben dabei die Fans?

Einen großen. Sie können die Mannschaft spüren lassen, dass sie hinter ihr stehen. Wenn die Überzeugung da ist, wir haben die Wende schon mal geschafft und können das auch immer wieder schaffen, dann hilft das den Spielern, daran zu glauben.

Robin Dutt hat am Samstag gesagt, dass nicht er die Entwicklung erklären muss, sondern die Protagonisten, zu denen er sich da nicht zählte.. Helfen solche Sätze auch?

Besser hätte ich es gefunden, wenn er gesagt hätte: Zunächst unterhalten wir uns intern, und dann erklären wir das alle gemeinsam am Sonntag oder Montag. Aber womöglich war die Stellungnahme von Robin Dutt ja Bestandteil einer gezielten Strategie. Wenn sich ein Chef immer gegen die Mannschaft stellt, ist das nicht gut. Aber er hat das jetzt nur einmal gemacht – und eine kalte Dusche kann auch mal gut sein.

Vor einem Jahr sagten Sie, dass positive Energie das Wichtigste im Kampf gegen den Abstieg sei. Sehen Sie das gerade beim VfB?

In Augsburg nicht. Da regierte die Angst vor dem Abstieg in Liga zwei. Deshalb geht es nun darum, das Gespenst vom Worst Case aus den Köpfen zu verscheuchen.

Der verletzte Serey Dié ist statt nach Augsburg zu einem Spiel seines früheren Clubs FC Sion gefahren. Wie bewerten sie das?

Das ist das falsche Zeichen und zeigt vielleicht auch, welcher Geist momentan in der Mannschaft herrscht.

Steigt der VfB dennoch nicht ab?

Ich hoffe es. Aus mentaler Sicht gibt es keine Indikatoren, dass es die Mannschaft nicht schaffen kann. Dafür gibt es Hinweise, dass alle ergriffenen Maßnahmen nach der Partie in Augsburg dem Trendwendelehrbuch entsprechen (lacht).